Der Fall Oyoun

Ein Kommunikationskampf

Von November 2022 bis Sommer 2024 begleitete ich die Krisenkommunikation für das Oyoun, ein queer-feministisches und migrantisches Kulturzentrum in Berlin-Neukölln. Rückblickend zeigt sich, dass der Abbau der Fördermittel einen Präzedenzfall geschaffen hat – ein Muster, das sich in den Ende 2024 plötzlich verkündeten Kürzungen im Kulturbereich erneut abzeichnete.

Worum ging es?

Ende November 2023 wurde im Live-Stream des Kulturausschusses bekannt gegeben, dass die vierjährige Projektförderung von Oyoun, ursprünglich bis 2025 zugesichert, bereits zum 31.12.2023 endet. Die am selben Tag beantragte Akteneinsicht nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz (IFG) sowie weitere Kontaktversuche blieben unbeantwortet. Der Senat verzögerte die Akteneinsicht und bis heute kam es trotz mehrfacher Annäherungsversuche zu keinem Dialog.

Die mehr als 30 Beschäftigten von Oyoun standen aufgrund der offiziell noch laufenden Arbeitsverträge vor rechtlichen Unsicherheiten: Sie konnten sich nicht arbeitslos melden, ihre finanzielle Existenz war gefährdet. Für einige stand der Aufenthaltsstatus auf dem Spiel.

Im Zuge eines eskalierenden öffentlichen Diskurses wurde das Haus mit einer Welle an Diffamierungen und rufschädigenden Narrativen konfrontiert. Die Dynamik dieses Kommunikationskriegs zeigte, wie schnell sich mediale Deutungshoheiten verschieben können – oft auf Kosten von Differenzierung und Fakten.

Krisenkommunikation unter Druck

Meine Aufgabe bestand darin, die Pressearbeit strategisch zu steuern, Narrative zu kontextualisieren und eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln, die sowohl präventiv als auch reaktiv auf diese Herausforderungen reagierte. Dazu gehörte unter anderem:

  • Die Erstellung und Veröffentlichung von 14 Pressemitteilungen, um die Faktenlage transparent zu halten.
  • Die Organisation und Moderation einer vielbeachteten Pressekonferenz, die eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Situation ermöglichte.
  • Die fortlaufende Steuerung der Medienarbeit, um Oyouns Positionierung in der Berichterstattung zu stärken.

Trotz der intensiven Bemühungen und einer fundierten Argumentation konnte der juristische Prozess nicht gewonnen werden – nicht zuletzt aufgrund begrenzter finanzieller Ressourcen und eines intransparenten Entscheidungsprozesses auf politischer Ebene. Dies zeigt, wie wichtig strategische Kommunikation in hochpolitisierten Kontexten ist – und wie schwer es bleibt, faktenbasierte Narrative gegen öffentliche Stimmungen und politische Entscheidungen zu behaupten.

 
Ich würde sagen, unserem Rechtsstaat geht es schlecht
— Myrsini Laaser, Strafverteidigung
 

Die juristische Perspektive

Myrsini Laaser, die Anwältin, die Oyoun vor Gericht vertreten hat, analysierte den Fall in einem ausführlichen Blogartikel.

Ihr Fazit: Das Verwaltungsgericht folgte ihrer Argumentation zur Einhaltung des Schriftformerfordernisses, doch setzte sich das Oberverwaltungsgericht nicht weiter mit den inhaltlichen Gründen auseinander. Stattdessen konstruierte es entweder bewusst einen Formfehler oder übersah zentrale Aspekte des Falls.

Ihr ernüchterndes Resümee: „Ich würde sagen, unserem Rechtsstaat geht es schlecht.“ Den vollständigen Artikel gibt es hier: Link

 

Der Fall Oyoun zeigt, wie entscheidend eine klare, strategische Kommunikation in Krisensituationen ist – und dass sie oft der letzte verbliebene Hebel ist, wenn politische und juristische Prozesse intransparent bleiben.

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